M. Kasprowsky:
Die Kindertagespflege ergibt nicht nur im Spiegel der Bundesrepublik sondern auch innerhalb der Bundesländer ein recht uneinheitliches und unüberschaubares Bild. Dies führt zu großer Unzufriedenheit oder gar Ärgernissen bei den Kindertagespflegepersonen. Einer der Gründe dafür ist meiner Meinung nach, dass die letztendliche Entscheidungen zur Ausgestaltung der Kindertagespflege, den örtlichen Jugendhilfeträgern überlassen wird.
Wieso überlässt man den Jugendämtern so viel Entscheidungsfreiheit, ohne diese regelmäßig unter die Lupe zu nehmen?
H. Pusch:
Dies ist über das SGB8- Gesetz und das Landesrecht geregelt, das besagt, dass die örtlichen Jugendhilfeträger für die praktische Umsetzung verantwortlich
seien.
Grundsätzlich gilt hier das Konnexitätsgebot, was so viel heißt wie: Wo ein Land ein Qualitätsgesetz für die Kindertagespflege erlässt, muss es auch die
Auswirkungen finanzieren. Deswegen ist es natürlich eine Herausforderung, alle Parteien dazu zu bewegen, sich auf ein einheitliches Qualitätsgesetz zu einigen. Trotzdem gibt es in Baden-
Württemberg schon Standards, die auch landesweit gelten. Zum Teil werden diese über die landesweiten Empfehlungen geregelt, die auch verbindlich sind, oder zumindest einen sehr hohen,
verbindlichen Charakter haben und z.T. auch vor Gericht bestand haben (z.B. bei der laufenden Geldleistung).
M. Kasprowsky:
Nichts desto Trotz, nehmen sich einige Jugendämter die Freiheit diese Empfehlungen frei zu interpretieren, sie umzuwandeln oder gar zu ignorieren und z.B. die
empfohlene Vergütung zu kürzen.
H. Pusch:
Die kommunale Selbstverwaltung der örtlichen Jugendhilfeträger gibt die Möglichkeit zu Gestaltung der Kindertagespflege.
Wir stellen jedoch fest, dass es in Baden-Württemberg trotz eindeutiger gesetzlichen Regelungen immer mal wieder Unterschiede darüber gibt, wie diese eingehalten
werden. Wird ein Recht nicht eingehalten, muss man es einklagen. Deswegen ist es so wichtig eine Interessenvertretung zu haben, die die Verhandlung für die Kindertagespflegepersonen gesammelt
machen. Sie haben dann ein ganz anderes Gewicht, eine Stimme und ganz andere Möglichkeiten Informationen zu verteilen und sich zu vernetzen. Darüber hinaus, haben sie über das SGB8- Gesetz
einen Anspruch, dass das Jugendamt mit ihnen zusammenarbeiten muss. Als ein Verein könnten sie sich dem Landesverband anschließen, das noch mehr Möglichkeiten hat in ihrem Interesse zu
handeln. Das ist die beste Möglichkeit. Die andere wäre, eine gute Rechtsschutzversicherung abzuschließen und überall dort wo die Verwaltung nicht rechtkonform agiert Widerspruch einzulegen oder
eine Klage einzureichen.
M. Kasprowsky:
Im April diesen Jahres verabschiedete der Bundesverband für die Kindertagespflege ein neues Modell zur Ausgestaltung der laufenden Geldleistung. Wie gedenkt man es
in Baden-Württemberg umzusetzen?
H. Pusch:
Der Landesverband verhandelt zurzeit die Erhöhung der laufenden Geldleistung. Wir gehen von 7,50€ pro Kind pro Stunde, sowie einem Zuschlag für besondere
Betreuungszeiten, z.B. am Wochenenden, aus. Wenn wir von 4 bis 5 zu betreuenden Kindern ausgehen, kommen wir der Empfehlung des Bundesverbandes ziemlich nah. Wir haben auch das Land
Baden-Württemberg aufgefordert, die Kommunen dabei zu unterstützen die laufende Geldleistung zu erhöhen. In dem Landesjugendhilfeausschuss soll es jetzt einen konkreten Vorschlag geben, der von
uns wieder fair verhandelt wird.
Es ist wichtig anzumerken, dass der Anstoß für den Bundesverband ein neues, leistungsgerechtes Modell zu entwerfen auch von dem Landesverband Baden-Württemberg
ausgegangen sei. Wir empfanden nämlich die bundesweite Entwicklung in der Kindertagespflege als hemmend für die Entwicklung in unserem Bundesland.
M. Kasprowsky:
Das Modell sieht auch eine Vergütung bei Urlaub und Krankheit vor. Die Rede ist von 30 Tagen Urlaub und ca. 9 Tagen krankheitsbedingtem Ausfall. Soll es in unserem
Bundesland übernommen werden?
H. Pusch:
Ja, wir gehen hier allerdings von 4 Wochen Ausfall des Kindes oder der Tagespflegeperson aus. In dieser Zeit soll die laufende Geldleistung weiter bezahlt werden.
Unser oberstes Ziel ist es, dass die Tagespflege zum leistungsgerecht vergüteten Beruf wird. So, dass die verschiedene Sonderregelungen bezüglich der Versicherungen redundant werden. Das muss
irgendwann am Ende der Reise zur Professionalität stehen.
M. Kasprowsky:
Professionalität bedeutet auch gut ausgebildete
Tagespflegepersonen, und das wiederum setzt ein anspruchsvolles und abwechslungsreiches Angebot an Aus-, und Weiterbildungen vor. Gegenwärtig lässt auch hier einiges zum Wünschen übrig.
Wird es auch bezüglich der Qualifizierung Änderungen geben?
H. Pusch:
Auf einem Fachtag im Mai haben wir eben diese Themen diskutiert. Wir alle teilen die Einstellung, dass wir ein neues Qualifizierungskonzept für die
Kindertagespflege in Baden-Württemberg brauchen. Der Landesverband erarbeitet zurzeit ein Positionspapier wie diese Qualifizierung aussehen muss, damit die Kindertagespflege weiter
professionalisiert und zukunftsorientierter wird. Wir haben vor dieses am Ende des Jahres zu verabschieden. Wir wollen dann einen baden-württembergischen Weg gehen. Das heißt, dass
wir nicht einfach die sogenannte QHB übernehmen, sondern dass wir schon den kompetenzorientierten Einsatz einbringen, allerdings von den Inhalten wird sich etwas ändern. Ein wichtiger Punkt ist
dabei das Selbstlernen und das passgenaue Lernen, das Menschen mit unterschiedlichen Bildungsbiographien einbezieht. Die Methode muss zulassen, dass eine Gruppe gemeinsam lernt, aber trotzdem
jeder seinen individuellen Nutzen daraus zieht. Dieses Konzept wird allerdings frühestens 2018 umgesetzt.
M. Kasprowsky:
Laut Gesetz sollen Kindertagespflege und Kita
gleichberechtigte Formen der Kinderbetreuung sein. Die Realität sieht allerdings oft anders aus. Vielerorts werden die Eltern gewissermaßen gezwungen ihre sowohl überdreijährigen wie auch
immer öfters die unterdreijährigen Kinder in einer Kita anzumelden. Was wird unternommen um die Gleichberechtigung sicher zu stellen und wie können sich die betroffenen Eltern gegen solche
Vorgehensweise wehren?
H. Pusch:
Wir haben schon mit den Kita- Trägern und den zuständigen Stellen darüber gesprochen. Sie haben sich bereit erklärt in Einzelnem auch Gespräche zu führen. Wir
erwarten von den Beratungsstellen, dass beides gleichwertig vermittelt wird. Es ist aber nun mal so: Von Oben wird es anders kommuniziert, aber was in der Praxis dann läuft, ist unheimlich schwer
in den Griff zu kriegen. Was Eltern dann in solchen Fällen bleibt, ist ihren Rechtsanspruch geltend zu machen.
Wir, als der Landesverband machen nicht nur diese Verhandlung über rechtliche Ausgestaltung, sondern wir sehen uns verpflichtet das Image der
Kindertagespflegepersonen zu verbessern und die rechtlichen Informationen über die Tagespflege auch den Eltern zugänglich zu machen.
M.Kasprowsky:
Das andere Problem in diesem Zusammenhang sind
die Kosten, die die Eltern tragen müssen. Die Tagespflege der Überdreijährigen ist unverhältnismäßig teurer als die, der Unterdreijährigen. Wieso gleicht man diese Elternbeiträge nicht der
Kita an?
H. Pusch:
Es gibt eine landesweite Empfehlung die die Elternbeiträge harmonisiert, also entsprechend anpasst. Die großen Unterschiede ergeben sich, weil die Landesmittel, die
die Eltern für ihre unterdreijährigen Kindern bekommen, wegfallen. Wir lobbyieren gerade beim Land wegen der Landesmittel und haben bereits einen Brief an den neuen Staatssekretär im
Kultusministerium geschrieben in dem wir uns dafür einsetzen, dass auch die Überdreijährigen diese FAG- Mittel bekommen. Das würde die Lage entschärfen. Auch dieses Problem hat der Landesverband
auf dem Schirm und das ist auch ein Teil unserer politischen
Interessenvertretung.
M. Kasprowsky:
Ich bedanke mich rechtherzlich für dieses sehr informative Gespräch und wünsche dem Landesverband viel Erfolg bei der Vertretung der Interessen der Kindertagespflegepersonen.
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