- Der steinige Weg von“ Hä, was machen Sie ?“ bis zu einem anerkannten Beruf.
- Neues Modell- neue Hoffnung. Kindertagespflege auf der Zielgeraden?
- Ein Interview mit Herrn Heiko Krause, dem Bundesgeschäftsführer des Bundesverbandes für Kindertagespflege
- Ein Interview mit Frau Heide Pusch, der Geschäftsführerin des Landesverbandes Kindertagespflege Baden-Württemberg
Kennen Sie das auch? Die Fragen nach Ihrem Beruf und dann die Reaktionen auf Ihre Antwort?
„Hä? Kindertagespflege? Was machen Sie da? Sind sie so etwas wie eine Krankenschwester für Kinder?“.
Oder wenn Sie Glück haben: „Ah ja! Also einfach Erzieherin- Sie arbeiten doch im Kindergarten?“
Kindertagespflege?!
Nanny, Babysitter, Tagesmutter- das, ja.
Aber Kindertagespflege?... Nichts gegen die Bezeichnung „Tagesmutter“! Aber…
Kaum einer weißt was Kindertagespflege wirklich heißt, nur wenigen halten es für einen richtigen, und die Allerwenigsten für einen anspruchsvollen Beruf.
Warum ist das so?
Dem wollte ich auf die Spur gehen und so machte ich mich auf den Weg.
Zuerst befragte ich wildfremde Menschen auf den Straßen und bohrte im Bekanntenkreis nach.
Das Fazit:
Die meisten Menschen haben entweder keine oder eine falsche Vorstellung von dieser Tätigkeit.
„Ein wenig mit Kindern spielen… Und das bei sich zu Hause?“, das ist doch kein Beruf!
Einige haben zwar schon etwas darüber aus dem Fernseher oder aus der Presse mitbekommen, doch die längst veraltete Vorstellung von einer älteren Dame die sich ihre
Rente, oder einer jungen Mutter, die während der Elternzeit die Haushaltskasse ein wenig aufbessern möchten, hält sich immer noch sehr hartnäckig in den Köpfen der Bevölkerung.
Erst wenn man selber ein Kind bekommt und nach einer Betreuung sucht, wird man mit dem Begriff konfrontiert und lernt einige Kindertagespflegepersonen
kennen.
Die meisten sind engagiert, gut gelaunt und gehen in ihrem Beruf wirklich auf.
Aber das ist nur die eine Seite.
Auf der anderen sind sie oft verunsichert und deprimiert. Ärger macht sich breit. Warum? Nicht unbedingt wegen der Unwissenheit der Menschen. Vielmehr weil ihre
berufliche Tätigkeit seitens der zuständigen Institutionen keine besondere Anerkennung bekommt.
Das wird deutlich, wenn wir uns die Kindertagespflege im Spiegel der Bundesrepublik ansehen.
Eine solche Heterogenität wie sie in der Kindertagespflege festzustellen ist, sieht man in kaum einem anderen Berufsfeld. Nicht genug, dass es keine Einheit
zwischen den Bundesländern gibt, entwerfen auch noch die Kommunen oder die Landkreise eigene Vorgehensweisen, die oft nicht unterschiedlicher sein könnten. Es ist kaum ein Bereich festzumachen,
in dem bundesweite Einigung herrscht und die Ausgestaltung der laufenden Geldleistung ist ein Paradebeispiel dafür, wie man eine nicht leistungsgerechte Vergütung verschleiern
kann.
Das eigentlich bundesweit gesetzlich festgelegte Wunsch-, und Wahlrecht der Eltern in Bezug auf die Art der Betreuung (Kindergarten, Kita oder
Kindertagespflege), wird in vielen Landkreisen entweder komplett ignoriert oder frei interpretiert und im unterschiedlichen Maße umgesetzt.
Gar Eltern, deren Kinder aufgrund von z.B. Entwicklungsverzögerungen den Kindergartenalltag nicht meistern konnten und die jetzt deswegen auf die Tagespflege
zurückgreifen wollen, wird diese verweigert, mit der Begründung dass, "das Wunsch-, und Wahlrecht nur für die Unterdreijährigen gilt."
Ich habe mir die beiden Absätze 1 und 2 im §5 SGBVIII mehrmals durgelesen.
Eine Altersbeschränkung fand ich darin aber nicht!
Auch die Art wie die Elternbeiträge berechnet werden ist undurchschaubar und richtet sich nach keinen festen Vorgaben. Das führt oft zu gerade mal paradoxen
Situationen. Tagespflegepersonen, die Kinder aus verschieden Bezirken betreuen, werden für die gleiche Arbeit unterschiedlich entlohnt und die Eltern mit ungleich hohen Beiträgen zu Kasse
gebeten. Nicht selten zahlen gerade die örtlichen Jugendhilfeträger, die den Eltern höhere Beiträge abverlangen, deutlich niedrigere Vergütung an die Tagespflegepersonen weiter. Unverständnis,
Ärger und Unzufriedenheit sind die Folge.
Im Großen und Ganzen hat dieser Beruf kein besonders gutes und würdiges Ansehen und man bekommt fast den Eindruck, dass diese Unüberschaubarkeit „strategisch“
gewollt ist.
Die Hauptursache dafür ist, meines Erachtens, in der Politik und bei den zuständigen Institutionen und Behörden zu finden. Denn so lange hier keine Einigung
über den Status, die leistungsgerechte Vergütung, die notwendige Bildung etc. getroffen und in die Praxis umgesetzt wird, solange können die Tagespflegepersonen auch keine Anerkennung seitens der
Bevölkerung erwarten. Doch gerade hier scheint es ein großes Desinteresse an der Aufpolierung des Images dieser Berufsgruppe zu geben.
Es sind zwar in den letzten Jahren immer wieder neue Entwürfe vorgestellt worden, aber nennenswerte Verbesserungen in den Alltag der Tagespflegepersonen und in die
Gesamtsituation brachten sie meines Empfindens nicht.
Als ich also vor kurzem fast schon zufällig erfuhr, dass ein neues, wirklich viel versprechendes Modell von dem Bundesverband für Kindertagespflege entwickelt
wurde, bin ich neugierig geworden.
Jetzt wollte ich es wirklich wissen!
Denn wie sagt man doch so schön?- Alles Gute kommt von Oben. Wirklich?
Und vor allem: Schafft dieses es auch bis in die unteren Etagen zu den Tagespflegepersonen?
Um das zu erfahren schrieb ich den Bundesgeschäftsführer des Bundesverbandes für die Kindertagespflege, Herr Heiko Krause an, und bat ihn um ein Interview. Als
nächstes rief ich wegen gleichen Anliegens die Geschäftsführerin des Landesverbandes Baden- Württembergs, Frau Heide Pusch an. Erstens lebe ich hier und zweitens gelten eben dieser Landesverband
und damit auch das Bundesland als beispielhaft im Spiegel der Bundesrepublik. Wobei leider auch hier einige „Schwarze Schafe“ vertreten sind, die sich die Freiheit rausnehmen die Empfehlungen des
Verbandes zu ignorieren oder frei zu interpretieren.
Ich wollte erfahren, wieso es keine Transparenz in der Ausgestaltung der Kindertagespflege gibt und warum eine so wichtige und verantwortungsvolle Arbeit, wie die,
die die Tagespflegepersonen leisten, nicht mit einer adäquaten Vergütung entlohnt wird. Man muss sich nur von Augen halten, dass vielerorts die Vergütung der Betreuungsstunde immer noch unten 3€
liegt. Aber auch dort wo sie mit 5,50€ vergütet wird, können wir keinesfalls von einem leistungsorientiertem Lohn sprechen. Denn, was nicht zu vergessen ist, gelten die Tagespflegepersonen als
selbständig Tätige. Das heißt, in diesem Betrag sind nicht nur die direkte Arbeit am Kind, sondern unter anderem auch alle Betriebsausgaben und Versicherungen inbegriffen. Die mittelbare
Arbeit, also Eltern Gespräche,
Vor- und Nachbereitung, Weiterbildung etc. werden gar nicht vergütet. Da ändert es auch nicht viel, dass manche Versicherungen (Kranken-, und Rentenversicherung)
unter Umständen maximal zur Hälfte erstattet werden. Denn am Ende, nachdem man den mickrigen Gewinn ermittelt hat, er noch versteuert werden muss.
Sind sie gut im Rechnen? Was glauben sie, was unterm Strich bleibt?
Für die meisten Tagespflegepersonen liegt der Mindestlohn in weiter Ferne. Und das bei dieser Verantwortung und vollem Einsatz.
Und wenn sie denken, dass wenigstens eine anspruchsvolle Aus-, und Weiterbildung klar geregelt sind… Falsch gedacht!
Na ja! Es geht ja „nur“ um unser wichtigstes „Gut“- nämlich die Kinder!
Zu meiner großen Überraschung und Freude, erwiesen sich sowohl Frau Pusch wie auch Herr Krause sehr entgegenkommend, kooperativ und bereit sich auf ein Interview mit mir einzulassen. Vielen herzlichen Dank dafür.
Ich konnte deutlich spüren, wie wichtig die Anliegen der Tagespflegepersonen für diese beiden Menschen und die Institutionen, die sie vertreten, sind.
Während der Gespräche erfuhr ich welche politischen Regelungen eine einheitliche Ausgestaltung der Kindertagespflege praktisch unmöglich machen und die Durchsetzung
einer transparenten Vergütung sowie einer anspruchsvollen, Qualitätsorientierten Aus-, und Weiterbildung erschweren. Wir sprachen über die Möglichkeiten, auf die die Kindertagespflegepersonen bei
Durchsetzung ihrer Rechte zurückgreifen können, über das neue Modell, das dem Großteil der Problematik entgegen wirken könnte und schließlich über die Zukunft der Kindertagespflege.
Mein Fazit?
Es ist und leider bleibt es noch für eine Weile ein steiniger Weg bis zum gewünschten Ergebnis.
Aber, und das ist im Moment entscheidend, befindet sich die Kindertagespflege bereits auf dem Weg. Und sie kriegt eine Menge Unterstützung seitens z.B. der beiden
oben genannten Verbände.
Jetzt liegt es auch an den Tagespflegepersonen selbst, sich Gehör zu verschaffen.
Es wäre vielleicht vom Vorteil sich auch überregional zu organisieren und Soziale Netzwerke zu bilden, um der eigenen Stimme mehr Gewicht zu geben und sich ganz
oben in dem politischen Raum Geltung zu verschaffen.
Nicht zu unterschätzen sind an dieser Stelle auch die Stimmen der Eltern. Es geht nämlich um eine qualitativ hochwertige, individuelle Betreuung für Ihre Kinder,
wie sie die Kita mit teilweise sehr großen Gruppen nicht bieten kann; um die Durchsetzung ihres Wunsch-, und Wahlrechtes und nicht zuletzt um ihr Geld.
Deswegen sollten auch die Eltern an diesen Netzwerken mit angeschlossen werden und eine Stimme bekommen.
Wir brauchen jetzt eine starke Organisation, die sowohl die Interessen der Tagespflegepersonen wie auch der Eltern überall dort vertritt, wo Einzelpersonen
bzw. Einzelfälle sonst keine Chance auf Erfolg haben.
Nur zusammen können wir etwas bewegen und vereint sind wir stark!
Im Anschluss an meinen Artikel veröffentliche ich die bereits angesprochenen Interviews. Diese können Sie sich durchlesen und somit Ihre eigene Meinung zu diesem
Thema bilden.
Kommentare und Diskussionen sind ausdrücklich erwünscht.
Zuletzt möchte ich ihnen noch meine Ohren und meine Zeit anbieten: für Ihre Fragen, Ihre Ideen, vielleicht auch für aufmerksam machen auf besonders problemreiche Bezirke, in denen „nachhacken“ gewünscht wäre. Ich mache mich gerne mit Ihnen zusammen auf die „Reise“ zu mehr Gerechtigkeit und Transparenz in der Kindertagespflege.
Falls Ihnen dieser Artikel gefällt und Sie ihn für hilfreich halten, würde ich mich sehr darüber freuen, wenn Sie diesen teilen könnten.
Vielen Dank für Ihre Zeit.
Eure Maggie Kasprowsky
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